Autogipfel im Kanzleramt: LobbyControl kritisiert einseitige Besetzung und Verbrennerlobby-Einfluss

Anlässlich des bevorstehenden Automobildialogs im Kanzleramt kritisiert LobbyControl die einseitige Besetzung des Gipfels. Die Organisation bemängelt, dass Umwelt- und Verbraucherschutzverbände nicht eingeladen wurden, während Autokonzernen privilegierte Zugänge gewährt werden. Dies gefährde ausgewogene Ergebnisse und untergrabe das Vertrauen in demokratische Prozesse.
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Inhaltsübersicht

– LobbyControl kritisiert einseitigen Autogipfel im Kanzleramt
– Umwelt- und Verbraucherschutzverbände sind nicht zum Gipfel eingeladen
– Verbrennerlobby betreibt Druck gegen das faktische Verbrenner-Aus ab 2035

Autogipfel im Kanzleramt: LobbyControl kritisiert einseitige Runde

Anlässlich des bevorstehenden Automobildialogs im Kanzleramt übt LobbyControl scharfe Kritik an der Zusammensetzung des Gipfels. In einer Pressemitteilung vom 9. Oktober 2025 wirft die Organisation der Bundesregierung vor, mit der einseitigen Besetzung erneut einen Lobbygipfel zu veranstalten, der vor allem den Interessen der Verbrennerlobby diene.

Christina Deckwirth, Sprecherin von LobbyControl, kommentiert: „Der Autogipfel im Kanzleramt ist ein Rückschritt auf ganzer Linie. Er ist sowohl vom Format als auch von den Inhalten einseitig und qualifiziert sich damit erneut zum Lobbygipfel. Die Zukunft der Automobilindustrie betrifft verschiedene gesellschaftliche Gruppen und darf nicht in einseitiger Runde beraten werden. Während Autokonzernen der rote Teppich ausgerollt wird, sind Umwelt- und Verbraucherschutzverbände noch nicht einmal eingeladen. Merz zeigt erneut, dass er vor allem auf die Stimmen von Konzernen hört, wenn er diesen privilegierte Zugänge verschafft.“

Die Organisation warnt davor, dass sich die Bundesregierung zum Handlanger einer Kampagne mache, die am Geschäftsmodell Verbrenner festhalten wolle. Deckwirth führt aus: „Eine einflussreiche Koalition aus einigen Autokonzernen, Zulieferern und Mineralölkonzernen drängt schon lange darauf, dass sie weiter am Geschäftsmodell Verbrenner verdienen kann. Dazu macht die Verbrennerlobby sowohl in Berlin als auch in Brüssel mit teils fragwürdigen Mitteln Druck. Es ist höchst irreführend, immer wieder auf den Einsatz von E-Fuels zum Erhalt des Verbrennermotors zu verweisen, wenn dies wissenschaftlichen Erkenntnissen und wirtschaftlichen Prognosen widerspricht.“

Als Alternative zu den einseitigen Konzernlobbygipfeln fordert LobbyControl eine ausgewogene Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. „Statt einseitiger Konzernlobbygipfel braucht es endlich ausgewogene Beteiligung in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Es ist gut, dass zumindest die Arbeitnehmerseite dabei ist. Insbesondere Perspektiven zu Klima- und Verbraucherschutzfragen müssen unbedingt einbezogen werden – sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Zivilgesellschaft“, so Deckwirth.

Die Organisation warnt vor den demokratiepolitischen Folgen solcher exklusiven Formate: „Solch ein Konzernlobbygipfel gefährdet nicht nur ausgewogene Ergebnisse, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie.“ Im Dezember soll in Brüssel ein weiterer Dialog mit der Automobilindustrie die bisherigen Beschlüsse zum Verbrenneraus endgültig auf den Prüfstand stellen.

Einordnung: Muster der Einflussnahme

Die Kritik an einseitigen Runden im Kanzleramt findet ihre historische Bestätigung in einer Reihe dokumentierter Fälle. Die Chronologie zeigt ein wiederkehrendes Muster direkter Einflussnahme der Automobilindustrie auf politische Entscheidungsprozesse.

Bereits im Frühjahr 2015 wurde auf Druck von Daimler-Lobbyisten und dem Verband der Automobilindustrie (VDA) das Vorhaben zu strengeren EU-Abgastests von der Bundesregierung gezielt verzögert. Dieser Fall wurde spätestens ab 2020 öffentlich bekannt (Quelle: Lobbypedia).

Das Greenpeace-Schwarzbuch von 2016 dokumentierte systematische Wechsel zwischen Politik und Autolobby sowie direkte Einflussnahme auf Gremien und Gesetze (Stand: 2016). Die Untersuchung belegte damals bereits die engen Verflechtungen zwischen Industrie und politischen Entscheidungsträgern.

Aktuellere interne Akten belegten im November 2021, dass die Autolobby maßgeblich die nationale Umsetzung einer EU-Regelung zur Energiekennzeichnung von Pkw entwarf – mit deutlichen Vorteilen für schwerere Fahrzeuge (Quelle: Deutsche Umwelthilfe). Diese direkte Mitgestaltung von Rechtsverordnungen durch Industrievertreter zeigt die Tiefe des Einflusses auf regulatorische Prozesse.

Die historische Betrachtung macht deutlich: Die aktuelle Kritik am Automobildialog im Kanzleramt steht in einer Kontinuität von Lobbyeinfluss, der über Jahre hinweg politische Entscheidungen zugunsten der Automobilindustrie geprägt hat.

Lobbykraft und E‑Fuels: Zahlen und Fakten im Vergleich

Die Einflussnahme der Automobilindustrie auf die Politik lässt sich an konkreten Zahlen ablesen. Der europäische Automobilverband ACEA verdoppelte sein Lobbybudget 2024 auf bis zu 6 Millionen Euro und führte seit Dezember 2024 über 220 Top-Meetings mit der EU-Kommission durch. Parallel investierte Volkswagen fast 3 Millionen Euro in Lobbyarbeit und hielt 128 Termine auf höchster Ebene (Stand: Juni 2025). Diese intensive Einbindung setzt sich in neuen Foren fort: Seit Anfang 2025 läuft auf EU-Ebene ein Automobildialog, bei dem etablierte Industrievertreter regelmäßig eingeladen werden, während Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen meist außen vor bleiben (Stand: April 2025).

EU-Lobbybudgets und Spitzenmeetings

Die gestiegene Präsenz der Autolobby zeigt sich nicht nur in Budgets, sondern auch in der Häufigkeit direkter Kontakte. Die E-Fuel Alliance traf zwischen Mai 2022 und Februar 2024 das Bundesverkehrsministerium 18 Mal, darunter mehrfach mit Minister Wissing. Die diskutierten Inhalte fanden sich später in politischen Vorhaben wieder – etwa in Entwürfen zu Steuerprivilegien für E‑Fuels (Stand: Februar/Oktober 2024). Diese Zugänge stehen im Kontrast zur geringen Beteiligung anderer gesellschaftlicher Gruppen. LobbyControl kritisiert diese Entwicklung scharf: „Während Autokonzernen der rote Teppich ausgerollt wird, sind Umwelt- und Verbraucherschutzverbände noch nicht einmal eingeladen.“

E‑Fuels: Versprechen vs. Marktanteil

Dem politischen Engagement für E‑Fuels steht eine ernüchternde Marktrealität gegenüber. Laut Umweltbundesamt lag der Marktanteil von E‑Fuels im deutschen Straßenverkehr 2023 bei unter 0,1 %. Für 2025 wird keine signifikante Steigerung erwartet (Stand: Juni 2024). Diese Diskrepanz zwischen Lobby-Bemühungen und tatsächlicher Marktdurchdringung wirft Fragen auf. „Es ist höchst irreführend, immer wieder auf den Einsatz von E-Fuels zum Erhalt des Verbrennermotors zu verweisen, wenn dies wissenschaftlichen Erkenntnissen und wirtschaftlichen Prognosen widerspricht“, so die Einschätzung von LobbyControl.

Jahr/Monat Akteur/Ereignis Zahl/Wert Quelle/Stand
2022–2024 E-Fuel-Alliance-Treffen mit Bundesverkehrsministerium 18 Treffen Lobbypedia, Stand: Februar/Oktober 2024
2023 Marktanteil E‑Fuels im Straßenverkehr < 0,1 % Umweltbundesamt, Stand: Juni 2024
2024 ACEA-Lobbybudget bis zu 6 Mio. € AWblog, Stand: Juni 2025
2024–2025 ACEA-Treffen mit EU-Kommission > 220 Top-Meetings AWblog, Stand: Juni 2025
Anfang 2025 Start EU-Automobildialog Etablierte Industrievertreter regelmäßig eingeladen LobbyControl, Stand: April 2025

Warum die Besetzung über unsere Zukunft entscheidet

Wer am Verhandlungstisch sitzt, beeinflusst maßgeblich die Ergebnisse politischer Prozesse. Eine einseitige Einladungspolitik, wie sie beim aktuellen Autogipfel im Kanzleramt praktiziert wird, gefährdet ausgewogene Entscheidungen und untergräbt das Vertrauen in demokratische Abläufe. Die Kritik von LobbyControl verdeutlicht: Wenn vorrangig Konzerninteressen gehört werden, bleiben zentrale gesellschaftliche Perspektiven außen vor.

Für Bürgerinnen und Bürger sowie für die Erreichung der Klimaziele ist entscheidend, dass Umwelt- und Verbraucherschutzverbände kontinuierlich in solche Dialoge eingebunden werden. Ohne diese Stimmen drohen einseitige Ergebnisse bei Antriebstechnologien, Standards und Förderkulissen. Besonders problematisch wird es, wenn politisch bestimmte Technologien überhöht werden, obwohl deren Marktbedeutung bislang minimal ist. Das Umweltbundesamt verzeichnete für E-Fuels Stand: Juni 2024 lediglich einen verschwindend geringen Marktanteil.

Was konkret auf dem Spiel steht:

  • Ausgewogene Regulierung: Fehlt die Vielfalt der Perspektiven, entstehen Regelungen, die vorrangig Wirtschaftsinteressen bedienen statt Gemeinwohl und Nachhaltigkeit.
  • Demokratievertrauen: Die wahrgenommene Nähe zwischen Regierung und Brancheninteressen kann die Legitimität politischer Entscheidungen fundamental beschädigen.
  • Klima- und Verbraucherinteressen: Die politische Fokussierung auf ineffiziente Technologiepfade führt zu Fehlsteuerungen, die letztlich alle Bürgerinnen und Bürger teuer zu stehen kommen.

    Worauf es bis Dezember ankommt

Bis zum EU-Dialog im Dezember rückt die Frage in den Mittelpunkt, ob politische Verfahren und Foren pluraler besetzt werden. Die kommenden Wochen zeigen, ob sich die Einflussnahme auf die Automobilpolitik ausbalanciert oder weiterhin einseitig bleibt. Zwei zentrale Beobachtungspunkte bestimmen die Debatte:

  • Transparenz und Teilnahme: Werden Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen systematisch in die Gespräche einbezogen – sowohl in Berlin als auch in Brüssel? Bisher verfügt die Verbrennerlobby über privilegierte Zugänge zum EU-Entscheidungsprozess (Stand: April 2025; Quelle: LobbyControl).

  • Faktengeleitete Debatten zu E-Fuels: Politische Weichenstellungen sollten die dokumentierte Marktgröße und Realverfügbarkeit synthetischer Kraftstoffe berücksichtigen. Die Diskussion um E-Fuels als Alternative zum Verbrennermotor benötigt eine solide Datengrundlage (Stand: Juni 2024; Quelle: Umweltbundesamt).

Die Art und Besetzung der Dialogforen wird maßgeblich beeinflussen, ob die anstehenden Entscheidungen breite gesellschaftliche Akzeptanz finden.

Diese Mitteilung und die darin enthaltenen Zitate stammen aus einer Presseinformation des Vereins LobbyControl.

Weiterführende Quellen:

9 Antworten

  1. Es macht mich traurig zu sehen wie wenig Rücksicht auf den Klimaschutz genommen wird! Wir müssen endlich für eine gerechtere Politik kämpfen! Wie können wir uns besser organisieren?

  2. Die einseitige Einladungspolitik beim Autogipfel ist ein großes Problem. Wenn nur eine Seite spricht, können keine fairen Entscheidungen getroffen werden. Ich hoffe auf eine bessere Zukunft! Gibt es Vorschläge für alternative Antriebstechnologien?

    1. Ich glaube an die Wasserstofftechnologie als mögliche Lösung. Sie könnte viele Probleme lösen und wäre umweltfreundlicher als herkömmliche Verbrenner.

    2. Wasserstoff klingt gut, aber wie realistisch ist das wirklich? Ich habe oft von den hohen Kosten gehört und davon, dass es nicht genug Infrastruktur gibt.

  3. Es scheint mir so, als ob das ganze System von Lobbyisten kontrolliert wird. Wir müssen dringend dafür sorgen, dass alle gesellschaftlichen Gruppen gehört werden! Was denkt ihr über E-Fuels und deren tatsächlichen Nutzen?

  4. Es ist wirklich unverständlich, dass nur die Automobilkonzerne eingeladen werden. Wo bleibt da der Dialog mit den Bürgern? Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert! Welche Maßnahmen könnten wir fordern?

    1. Ich denke, wir sollten mehr Druck aufbauen und aktiv an Demonstrationen teilnehmen, um unsere Stimme zu erheben. Es ist wichtig, dass wir für unsere Rechte eintreten!

  5. Ich finde es besorgniserregend, dass Umweltverbände nicht eingeladen wurden. Das zeigt, dass die Regierung mehr auf die Automobilindustrie hört als auf die Stimmen der Bürger. Was denkt ihr darüber?

    1. Ich stimme zu! Ohne die Stimmen von Umweltorganisationen wird es schwer, nachhaltige Lösungen zu finden. Wie können wir sicherstellen, dass auch unsere Perspektiven gehört werden?

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