EU-Parlament verschärft Artikel 148 GMO: Vertragspflicht für Milchbranche und Kritik an Bürokratie

Das Europäische Parlament hat für eine Verschärfung der EU-Milchmarktordnung gestimmt, die eine verpflichtende Vertragspflicht zwischen Landwirten und Molkereien vorsieht. Der Milchindustrie-Verband warnt vor Bürokratieaufwand und Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Milchwirtschaft. Die Entscheidung fiel trotz Kritik aus deutschen Politikerkreisen, nun folgen Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission.
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Inhaltsübersicht

– EU-Parlament verschärft Vertragsregeln für Rohmilchlieferungen in der Gemeinsamen Marktordnung.
– Kritik an Vorgaben zu Produktionskosten und Revisionsklauseln als bürokratisch und marktfeindlich.
– Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Institutionen sollen bis Ende 2025 zu einem Kompromiss führen.

EU-Parlament verschärft Regeln für Milchmarkt

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch im Plenum in Straßburg für eine Verschärfung von Artikel 148 GMO gestimmt. Die Neuregelung sieht verbindliche Vorgaben für Verträge zwischen Milcherzeugern und verarbeitenden Betrieben vor. Der Milchindustrie-Verband (MIV) warnt vor erheblichen Nachteilen für die deutsche Milchwirtschaft.

Die Reform umfasst eine EU-weite Vertragspflicht sowie eine Preisformel, die sich an den vollen Produktionskosten der Landwirte orientiert. Zusätzlich bleibt eine Revisionsklausel für Verträge mit mehr als sechs Monaten Laufzeit erhalten. Genossenschaften sind von den Änderungen ausgenommen, sofern ihre Lieferordnungen vergleichbare Ziele verfolgen. Weitere Punkte sind die Anhebung der Bündelungsgrenze für Milcherzeugergemeinschaften von 4 auf 10 Prozent und ein Milchreduktionsprogramm für Krisenzeiten (Stand: 09.10.2023).

Dr. Björn Börgermann, Hauptgeschäftsführer des MIV, kritisiert die Pläne scharf: „Wir haben nichts gegen schriftliche Verträge. Aber konkrete inhaltliche Vorgaben kommen einem Eingriff in die Markt- und Vertragsfreiheit sowie privatwirtschaftlicher und genossenschaftlicher Autonomie gleich.“ Statt höherer Preise erwarte die Branche „zeitraubenden, kostenintensiven Bürokratieaufbau und zu Mehrkosten“.

Im Parlament fanden Änderungsanträge zur Abschwächung der Vorlage zwar keine Mehrheit, erhielten aber mit etwa 150 bis 200 Stimmen je Antrag spürbare Unterstützung (Stand: 09.10.2023). Als nächster Schritt stehen nun Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission an, die voraussichtlich in Kürze beginnen. Ziel ist ein Kompromiss bis Ende 2023.

Was Art. 148 GMO konkret vorsieht

Die geplante Vertragspflicht für Milchlieferungen steht im Zentrum der aktuellen EU-Agrarreform. Laut Vorschlag der EU-Kommission in Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung sollen künftig verbindliche schriftliche Verträge zwischen Landwirten und Molkereien verpflichtend werden. Diese Verträge müssten eine spezifische Preisformel enthalten, die die Entwicklung der vollen Produktionskosten der Landwirte berücksichtigt. Zusätzlich sieht der Entwurf eine Revisionsklausel für Verträge mit mehr als sechs Monaten Laufzeit vor. Die Umsetzung dieser Regelung ist jedoch politisch umstritten – Stand: September 2025.

Was die Vertragspflicht für Milch bedeutet

Die verpflichtende Vertragspflicht würde die bisherige Praxis in vielen Mitgliedstaaten grundlegend verändern. Bisher konnten Molkereien und Landwirte Lieferbeziehungen flexibel gestalten, nun würden feste vertragliche Rahmenbedingungen mit konkreten inhaltlichen Vorgaben eingeführt. Kritiker wie der Milchindustrie-Verband argumentieren, dies komme "einem Eingriff in die Markt- und Vertragsfreiheit sowie privatwirtschaftlicher und genossenschaftlicher Autonomie gleich". Besonders die verpflichtende Berücksichtigung der Produktionskosten in der Preisformel wird kontrovers diskutiert, da sie die Anpassungsfähigkeit an volatile Marktentwicklungen einschränken könnte.

Warum die Mitgliedstaaten streiten

Die politische Kontroverse entzündet sich vor allem an der unterschiedlichen Praxis in den EU-Ländern. Während einige Mitgliedstaaten bereits etablierte Vertragssysteme haben, fürchten andere den Verlust bewährter Lieferbeziehungen. Deutsche und skandinavische Abgeordnete kritisieren die geplante Regelung als übermäßigen Eingriff in bereits gut funktionierende Märkte. Die Debatte spiegelt den grundsätzlichen Konflikt zwischen mehr Planungssicherheit für Landwirte einerseits und der Bewahrung marktwirtschaftlicher Flexibilität andererseits wider.

Faktencheck: Was internationale Erfahrungen und deutsche Berechnungen zeigen

Die Diskussion um die Reform der Gemeinsamen Marktordnung wird durch konkrete Zahlen und internationale Vergleiche versachlicht. Während Befürworter verbindlicher Verträge mehr Planungssicherheit fordern, verweisen Kritiker auf Bürokratiekosten und fehlende Wirksamkeit.

In Frankreich, Italien und Spanien zeigen Erfahrungen mit vergleichbaren Regelungen erheblichen Verwaltungsaufwand bei gleichzeitig fehlenden Belegen für nachhaltige Preissteigerungen oder dauerhafte Marktstabilisierung (Stand: Februar 2024). Diese europäischen Beispiele lassen Zweifel aufkommen, ob die geplanten Maßnahmen ihre Ziele tatsächlich erreichen können.

Für Deutschland beziffert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft den jährlichen Erfüllungsaufwand auf rund 6,46 Millionen Euro (Bearbeitungsstand: 29. November 2024). Diese Summe würde zusätzlich zur bestehenden Verwaltungslast auf Milcherzeuger und -verarbeiter zukommen.

Positionen der Fachgremien im Überblick

Quelle/Institution Aussage/Kernpunkt Zahl/Wert Stand/Datum
ZKL Verpflichtende Verträge mit klaren Regeln erhöhen Planungssicherheit 2023
Holtmann Saaten Erfahrungen Frankreich/Italien/Spanien: erheblicher Verwaltungsaufwand, keine gesicherten Belege für nachhaltige Preissteigerungen 02/2024
BMEL Erfüllungsaufwand in Deutschland 6,46 Mio. Euro jährlich 29.11.2024
AbL Feste Milchpreisformel auf Basis aktueller Produktionskosten zur Existenzsicherung Juli/August 2025

Die Zentrale Kommission Landwirtschaft (ZKL) empfahl bereits 2023 verpflichtende Verträge mit klaren Regeln zu Menge, Qualität, Preis und Laufzeit als Weg zu mehr Planungssicherheit. Demgegenüber fordert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eine feste Milchpreisformel, die sich an aktuellen Produktionskosten orientiert und damit die Existenzsicherung der Betriebe gewährleisten soll (Stand: Juli/August 2025).

Diese unterschiedlichen Positionen zeigen das Spannungsfeld zwischen marktwirtschaftlichen Prinzipien und der Forderung nach staatlicher Preissicherung. Während die einen auf mehr Vertragssicherheit setzen, fordern andere direkte Preismechanismen – beides mit potenziell erheblichem bürokratischem Aufwand verbunden.

Vertragspflicht und Preisformel: Zwischen Planungssicherheit und Bürokratie

Die geplante Verschärfung der Gemeinsamen Marktordnung wirft grundlegende Fragen nach ihren praktischen Konsequenzen auf. Während Befürworter mehr Stabilität im Milchmarkt versprechen, zeichnen Kritiker ein Bild zusätzlicher Belastungen für alle Beteiligten. Die zentrale Frage lautet: Führen verbindliche Verträge mit festgelegten Preisformeln tatsächlich zu mehr Planungssicherheit oder überwiegt der Verwaltungsaufwand?

Die Berücksichtigung der vollen Produktionskosten in der Preisformel ist Bestandteil der jetzt verabschiedeten Gesetzesreform (Stand: 2024). In anderen EU-Mitgliedstaaten liegen keine gesicherten Belege für nachhaltige Preissteigerungen oder dauerhafte Marktstabilisierung vor (Stand: Februar 2024).

Die Kehrseite der Medaille zeigt sich in konkreten Zahlen: Für die deutsche Milchwirtschaft entstünde durch die Umsetzung der Vertragspflicht ein jährlicher Zusatzaufwand von 6,46 Millionen Euro (Bearbeitungsstand: 29. November 2024). Kritiker verweisen darauf, dass starre Vertragsvorgaben die Anpassungsfähigkeit an Marktschwankungen einschränken könnten – gerade in einem so volatilen Segment wie dem Milchmarkt.

Die gesellschaftliche Relevanz dieser Reform reicht weit über die unmittelbar betroffenen Betriebe hinaus. Letztlich geht es um die Balance zwischen Marktregulierung und wirtschaftlicher Flexibilität – und darum, ob bürokratische Vorgaben tatsächlich zu mehr Fairness in der Lieferkette führen oder lediglich zu höheren Kosten für alle Beteiligten.

Ausblick: Streitpunkte und Zeitplan

Die Entscheidung des EU-Parlaments markiert nur eine Etappe im Gesetzgebungsprozess. Jetzt folgen die Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission – und hier zeichnen sich erhebliche Konfliktlinien ab. Laut Recherchen von table.media bleibt die Vertragspflicht zwischen den Mitgliedstaaten umstritten (Stand: September 2025). Während einige Länder die verbindlichen Vorgaben befürworten, lehnen insbesondere Deutschland, Irland und skandinavische Staaten die Einschränkung der Vertragsfreiheit ab.

Die Verhandlungen dürften sich an mehreren Brennpunkten entzünden. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, die unterschiedlichen Positionen zur generellen Vertragspflicht zu überbrücken. Gleichzeitig fordern Erzeugerverbände wie die AbL eine verbindliche Kostenformel in der Preisfindung (Stand: Juli/August 2025). Und nicht zuletzt steht der bürokratische Aufwand im Raum: Das Bundeslandwirtschaftsministerium rechnet mit erheblichem Erfüllungsaufwand für Unternehmen (Bearbeitungsstand: 29. November 2024).

Worauf es jetzt ankommt

  • Positionen der Mitgliedstaaten: Die Uneinigkeit über die generelle Vertragspflicht (Stand: September 2025) wird die Triloge prägen
  • Verbändeforderungen: Erzeuger- und Bauernverbände drängen auf verbindliche Kostenformeln in der Preisfindung (Stand: Juli/August 2025)
  • Bürokratische Folgen: Der prognostizierte Erfüllungsaufwand für Unternehmen (Bearbeitungsstand: 29. November 2024) könnte die Verhandlungen beeinflussen

Der Ausgang der Verhandlungen bleibt offen. Sollten die Trilog-Gespräche wie geplant noch in diesem Jahr abgeschlossen werden, stünde die endgültige Entscheidung über die umstrittene GMO-Reform bevor. Bis dahin werden sich alle Beteiligten auf intensive Diskussionen einstellen müssen.

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Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Milchindustrie-Verband e.V. (MIV).

Weiterführende Quellen:

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7 Antworten

  1. …es gibt sicher Vor- und Nachteile bei diesen neuen Regeln. Ich hoffe nur, dass die Interessen der Landwirte gewahrt bleiben und nicht nur Bürokratie entsteht. Wie seht ihr das?

  2. Ich habe gelesen, dass ähnliche Vorschriften in anderen Ländern viel Bürokratie gebracht haben ohne Vorteile. Warum sollte Deutschland das dann nicht auch erleben? Gibt es wirklich Beweise für Erfolge?

    1. …das frage ich mich auch! Wenn wir den gleichen Fehler machen wie andere Länder, was bringt uns dann diese Reform wirklich? Vielleicht sollten wir mehr über Alternativen nachdenken.

  3. Die Kritik am neuen Gesetz ist verständlich, aber ich denke, es könnte auch helfen. Es gibt viele Unsicherheiten auf dem Markt. Könnte eine Vertragsregelung nicht auch mehr Sicherheit bringen?

    1. Das ist ein guter Punkt! Sicherheit ist wichtig, aber wie hoch sind die Kosten dafür? Es wäre interessant zu wissen, ob das in anderen Ländern funktioniert hat.

  4. Ich finde die neuen Regeln für die Milchlieferungen sehr kompliziert. Die Bürokratie wird sicher zunehmen, aber ob das wirklich gut für die Landwirte ist? Was denken andere darüber? Vielleicht gibt es ja auch positive Aspekte?

    1. Ich stimme zu, Juliane! Die Idee von stabilen Preisen klingt gut, aber der Aufwand könnte echt hoch sein. Habt ihr Erfahrungen aus anderen Ländern gehört, die schon ähnliche Regeln haben?

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