Historischer Tiefstand bei Apothekenzahl in Deutschland – Zahlen und Hintergründe
Deutschland erreichte zum Jahresende 2023 mit 17.571 Apotheken den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Vergleich zu 2022, als noch 18.068 Apotheken registriert waren, entspricht dies einem Rückgang um 497 Apotheken – dem größten jährlichen Verlust in der Geschichte der Bundesrepublik. Während im vergangenen Jahr lediglich 62 Neueröffnungen erfolgten, mussten 559 Apotheken ihre Türen schließen. Betroffen sind dabei sowohl Haupt- und Einzelapotheken als auch Filialen. Erstmals liegt die Zahl der Einzelapotheken ohne Filialstrukturen unter der Marke von 10.000 und beträgt nur noch 9.645. Seit dem Höchststand im Jahr 2008 mit 21.602 Apotheken ist die Anzahl um mehr als 18 Prozent gesunken.
Die Präsidentin der ABDA, Gabriele Regina Overwiening, unterstreicht die zentrale Rolle der Apotheken: Jede Apotheke, die schließt, bedeute einen herben Verlust für die Patientinnen und Patienten. Sie erklärt weiter: Zudem häufen sich die Wege zur nächsten Apotheke immer mehr an. Ohne die Apotheken wäre es nicht möglich, die Lieferengpässe in den Griff zu bekommen, und auch die Einführung des E-Rezepts würde ohne die Expertise der Apothekenteams große Herausforderungen mit sich bringen.
Trotz dieser Bedeutung geben immer mehr Apothekeninhaberinnen und -inhaber auf, da die wirtschaftliche Basis fehle. Overwiening weist darauf hin, dass die Gründung einer neuen Apotheke aufgrund fehlender wirtschaftlicher Perspektiven für den pharmazeutischen Nachwuchs immer unattraktiver geworden sei. Die ABDA-Präsidentin appelliert daher an die Ampel-Koalition, aktiv zu werden und ein Apotheken-Rettungsgesetz vorzulegen: Die Apotheken müssten finanziell stabilisiert werden, und das Apothekenhonorar müsse dringend angepasst werden. Seit über zehn Jahren habe es keine Anpassung der Honorare gegeben, stattdessen seien diese zuletzt sogar gekürzt worden, obwohl die Verbraucherpreise um 38 Prozent und die Kosten in den Apotheken um 60 Prozent gestiegen sind. Overwiening fordert, dass die Honorare zukünftig automatisch an die wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst werden sollen, um einer erneuten langjährigen Nullrunde vorzubeugen.
Im europäischen Vergleich liegt die deutsche Apothekendichte mit 21 Apotheken pro 100.000 Einwohner deutlich unter dem Durchschnitt von 32 Apotheken. Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen auf die wohnortnahe Arzneimittelversorgung und damit auf die gesamte lokale Infrastruktur.
Gesellschaftliche Folgen des Apothekensterbens und Perspektiven für die Versorgung
Der Rückgang von Apotheken in Deutschland geht weit über wirtschaftliche Probleme einzelner Standorte hinaus und stellt eine gesellschaftliche Herausforderung dar. Vor allem in ländlichen Regionen zeigt sich, wie eng die Gesundheitsversorgung mit der örtlichen Apothekenstruktur verbunden ist: Patienten können im Notfall oft nicht rechtzeitig mit Medikamenten versorgt werden, und die persönliche Beratung vor Ort fehlt vielfach. In Zeiten von Lieferengpässen oder komplexeren Therapien sind die Apotheken unverzichtbare Versorgungsanlaufstellen, die weit mehr leisten als nur Arzneimittel abzugeben.
Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das Apothekensterben nicht nur einen Komfortverlust. Es entstehen bei Notfällen und chronisch Kranken erhöhte Risiken, da die Betreuung durch pharmazeutisches Fachpersonal ungleich verteilt und in manchen Regionen deutlich schlechter wird. Gleichzeitig wächst mit der Digitalisierung und der Einführung des E-Rezepts die Erwartung, dass Apotheken digital erreichbar und vernetzt sind – was eine Herausforderung für kleinere, eigenständige Apotheken darstellt und Filialnetzwerke sowie Online-Apotheken in den Vordergrund rückt.
Wie Patienten vom Apothekensterben betroffen sind
In abgelegenen Gebieten fehlen häufig Alternativen, wenn die Anlaufstelle vor Ort schließt. Diese Entwicklung kann zu längeren Anfahrtswegen, eingeschränkter Beratung und weniger individueller Betreuung führen. Gerade ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen sind davon besonders betroffen. Ebenso steigt das Risiko, dass bei akuten Erkrankungen die rechtzeitige Versorgung mit Medikamenten erschwert wird.
Europäischer Vergleich und mögliche Zukunftsszenarien
Anders als in Deutschland setzen andere europäische Länder verstärkt auf Filialnetze oder integrierte Versorgungssysteme, um die flächendeckende Medikamentenversorgung zu gewährleisten. Einige Länder haben den Ausbau von Versandapotheken und digitalen Angeboten frühzeitig vorangetrieben, wodurch dort die regionalen Versorgungslücken kleiner sind. Diese Beispiele zeigen, dass es verschiedene Modelle gibt, wie Apotheken flexibel und patientenorientiert organisiert werden können.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen zeichnet sich ein vielschichtiges Zukunftsszenario ab: Die Gesundheitspolitik, die pharmazeutische Branche und die Gesellschaft stehen vor der Aufgabe, tragfähige Lösungen zu entwickeln, die regionale Versorgung sicherzustellen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig den persönlichen Kontakt und die Beratung zu erhalten. Dabei spielen neben der Förderung von Filialnetzwerken auch die Regulierung von Online-Apotheken eine wichtige Rolle. So lässt sich vermeiden, dass die Versorgung einzelner Regionen dauerhaft unterversorgt bleibt und die gewohnte Qualität der Gesundheitsversorgung – auch in Notfällen – weiterhin gewährleistet ist.
Zentrale Herausforderungen dabei sind unter anderem:
- Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum
- Integration digitaler Technologien und E-Rezept-Systeme in die Apothekenstruktur
- Erhalt der persönlichen Beratung und individuellen Betreuung durch Fachpersonal
- Umgang mit Lieferengpässen und regional unterschiedlicher Verfügbarkeit von Medikamenten
- Gestaltung eines ausgewogenen Wettbewerbs zwischen Filialnetzwerken und Online-Anbietern
Die Bewältigung dieser Aufgaben wird entscheidend dafür sein, wie gut die medizinische Versorgung vor Ort auch künftig funktioniert und welchen Stellenwert die Apotheke in einer sich wandelnden Gesundheitslandschaft behält.
Originalmeldungsquelle: ABDA Bundesvgg. Dt. Apothekerverbände, übermittelt durch news aktuell
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