Soziale Selbstverwaltung in der Sozialversicherung: 90 Jahre Erfahrung zeigen, warum Mitbestimmung heute unverzichtbar ist

Vor genau 90 Jahren beendete das „Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung“ vom 5. Juli 1934 die demokratische Selbstverwaltung der Kassen und ersetzte gewählte Vertreter durch staatliche Kommissare und Nationalsozialisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die soziale Selbstverwaltung in West- und ab 1990 auch in den neuen Bundesländern schrittweise wieder eingeführt und bei den Sozialwahlen im Frühjahr 2023 erneut bestätigt. Die neu konstituierten Verwaltungsräte der elf AOKs und des AOK-Bundesverbandes haben im Sommer 2023 Dr. Susanne Wagenmann und Knut Lambertin einstimmig für weitere sechs Jahre als Aufsichtsratsvorsitzende bestätigt und betonen, dass Mitbestimmung und ein respektvoller Interessenausgleich unverzichtbar für sozialen Frieden und die Stabilität des Sozialstaats sind.
Modernes blau beleuchtetes News-Studio mit runden LED-Podesten und großem Bildschirm mit Schriftzug ‚Verbands‑Monitor eins zu eins‘.
Inhaltsübersicht

– 5. Juli 1934: Sozialversicherungsgesetz beseitigt Selbstverwaltung zugunsten staatlicher GKV-Kommissare.
– AOK-Aufsichtsratsvorsitzende betonen Selbstverwaltung als Ausgleich zwischen Arbeitgebern, Beschäftigten und demokratischer Säule.
– Nach Kriegsende wieder eingeführte Selbstverwaltung durch Sozialwahlen April–Mai 2023 bestätigt.

90 Jahre Sozialversicherung in Deutschland: Rückblick und aktuelle Bedeutung der Selbstverwaltung

Vor genau 90 Jahren, am 5. Juli 1934, trat das „Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung“ in Kraft und veränderte die Struktur der Sozialversicherung in Deutschland grundlegend. Mit der Entscheidung des Deutschen Reichstags endete die bis dahin bestehende Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger abrupt. Stattdessen übernahmen staatliche GKV-Kommissare die Kontrolle, während die Kassenverbände fortan unter die Aufsicht des Reichsarbeitsministers gestellt wurden. Dieser Eingriff folgte bereits auf das „Gesetz über Ehrenämter in der sozialen Versicherung und der Reichsversorgung“ vom Mai 1933, das viele gewählte Versichertenvertreter aus ihren Positionen verdrängte und durch Nationalsozialisten ersetzte.

Die historisch belasteten Erfahrungen führen heute zu einer besonderen Würdigung: Knut Lambertin, Vorsitzender des Aufsichtsrates für die Versichertenseite, hebt hervor: „*Angesichts des aufgeheizten politischen Klimas in unserer Gesellschaft ist es von unschätzbarem Wert, dass die Soziale Selbstverwaltung einen Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Beschäftigten schafft. Unsere Arbeit dient damit der praktischen Verwirklichung des sozialen Rechtsstaates und dem Erhalt des sozialen Friedens.“ Ebenso betont Dr. Susanne Wagenmann, Aufsichtsratsvorsitzende für die Arbeitgeberseite: „Die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus lehren uns, wie wichtig ein respektvoller Umgang miteinander und das entschiedene Vorgehen gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus sind. Für diese Werte steht die Soziale Selbstverwaltung. Sie ist damit eine wichtige Säule unserer Demokratie und unseres Sozialstaates.*“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Soziale Selbstverwaltung in der Bundesrepublik sowie ab 1990 in den neuen Bundesländern wieder eingeführt. Sie garantiert, dass nicht staatliche Stellen, sondern durch Wahlen legitimierte Vertreterinnen und Vertreter der Versicherten und Arbeitgeber die Sozialversicherungsträger verwalten. So wurden zuletzt im Frühjahr 2023 durch Sozialwahlen Mitglieder der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen bestimmt. Im Anschluss konstituierten sich zwischen Juli und November die neuen Verwaltungsräte der elf AOKs und der Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbandes und nahmen ihre Arbeit auf. Im November 2023 wurden Dr. Susanne Wagenmann und Knut Lambertin einstimmig für weitere sechs Jahre als alternierende Vorsitzende des Aufsichtsrates bestätigt.

Weitere Informationen zur Selbstverwaltung der AOK finden Sie hier: https://ots.de/Zg7rSW

Warum soziale Selbstverwaltung und Mitbestimmung heute entscheidend sind

Die Geschichte der Sozialversicherung seit 1934 ist eng mit dem gesellschaftlichen Verständnis von Demokratie, Mitwirkung und sozialer Sicherheit verknüpft. Sie illustriert, wie wichtig eine soziale Selbstverwaltung ist, die den Versicherten nicht nur Schutz bietet, sondern ihnen auch eine aktive Rolle bei der Gestaltung ihrer sozialen Absicherung ermöglicht. Diese Einbindung in Entscheidungsprozesse sichert nicht nur den sozialen Frieden, sondern stabilisiert auch Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltig.

Die eigenständige Mitbestimmung der Versicherten bildet dabei das Fundament einer demokratischen Kontrolle innerhalb der Sozialversicherungssysteme. Gerade die Sozialwahlen fungieren als zentrales Instrument, das Millionen Menschen regelmäßig die Chance gibt, durch ihre Stimmen Einfluss zu nehmen und den Interessenausgleich zwischen verschiedenen Gruppen sicherzustellen. So trägt die Selbstverwaltung dazu bei, divergierende Bedürfnisse zu integrieren und Konflikte zu vermeiden.

Historische Lehren und Risiken zentralisierter Kontrolle

Die Entwicklung vom Modell der sozialen Selbstverwaltung hin zu bürokratisch gesteuerten Systemen zeigt, wie riskant eine zu starke Zentralisierung ist. Ohne eine verlässliche Mitwirkung kann das Vertrauen der Bevölkerung in soziale Institutionen erodieren. Die Geschichte lehrt, dass Mitbestimmung und demokratische Kontrolle nicht nur Werte an sich sind, sondern aktive Voraussetzungen für die Stabilität sozialer Sicherungssysteme.

Bedeutung der Sozialwahlen für Millionen Versicherte

Die Sozialwahlen sind weit mehr als ein formaler Akt: Sie geben Versicherten die Möglichkeit, ihre Interessen zu artikulieren und die Zukunft der Sozialversicherung mitzubestimmen. Dieser Mechanismus sorgt für eine Balance zwischen den verschiedenen Akteuren und gewährleistet einen kontinuierlichen interessensausgleich. Gerade im Kontext der aktuellen Herausforderungen gewinnt das an Bedeutung.

  • Aktuelle Herausforderungen wie die demografische Entwicklung, die Digitalisierung und Debatten um Bürgerbeteiligung fordern die soziale Selbstverwaltung heraus, sich weiterzuentwickeln und neue Schutzbedarfe zu erkennen.
  • Ohne eine starke soziale Selbstverwaltung drohen Gefahren für den sozialen Frieden und die wirtschaftliche Stabilität, da fehlende Partizipation soziale Spannungen verstärken kann.

Das Zusammenspiel von Tradition und Innovation in der sozialen Selbstverwaltung bleibt unerlässlich, um auch künftig eine umfassende und demokratisch legitimierte soziale Absicherung zu garantieren.


Für weitere Informationen, Pressekontakte, Bilder oder Dokumente geht es hier zur Quelle mit dem Originaltitel:
Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbandes erinnert an die Abschaffung der Sozialen …

Original-Content übermittelt durch news aktuell.

10 Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über den Autor

Die Redaktion von Verbandsbüro besteht aus vielen unterschiedlichen Experten aus der Verbands- und Vereinswelt. Alle Beiträge beruhen auf eigene Erfahrungen. Damit wollen wir Ihnen unsere professionellen Leistungen für Ihre Organisation präsentieren. Wollen Sie mehr zu diesem Thema erfahren? Nehmen Sie doch einfach mit uns Kontakt auf.​

Teilen

Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, teile ihn gerne weiter.