30 Jahre Asylkompromiss: Die humanitäre Verantwortung bleibt unerfüllt
Berlin, 26. Mai 2023 – Vor genau 30 Jahren ereignete sich ein einschneidendes Ereignis in der deutschen Asylpolitik. Angesichts von Hass, Hetze und gewalttätigen Übergriffen auf Geflüchtete, darunter Brandanschläge auf Unterkünfte mit tödlichen Folgen, wurden nicht etwa die Schutzmaßnahmen für Asylsuchende in Deutschland ausgeweitet. Stattdessen wurde das Grundgesetz geändert und der Zugang zum Asyl massiv eingeschränkt. Der sogenannte Asylkompromiss wurde geboren.
Heute, 30 Jahre später, kritisiert die Arbeiterwohlfahrt (AWO) die geplante Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS). Diese dürfe nicht umgesetzt werden, so der Verband. Dazu erklärt AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner: “Der faule Kompromiss’, der mit der GEAS-Reform geschlossen wird, untergräbt die Glaubwürdigkeit der EU im Bereich der Menschenrechte weiter.”
Die geplante Reform sei genauso fehlgeleitet wie der Asylkompromiss vor 30 Jahren. Dieser erfolgte ausschließlich auf Kosten der Schutzsuchenden. “Heute, 30 Jahre später, ist die Asylpolitik leider kein bisschen humaner geworden. Obwohl ein Paradigmenwechsel im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, bleibt der Schutzauftrag gegenüber Asylsuchenden aufgrund historischer Verantwortung weiterhin eine Illusion”, so Sonnenholzner.
Mit der anstehenden GEAS-Reform droht nun ein Alptraum Realität zu werden. Der neue Kompromiss der Bundesregierung legalisiert bereits bestehende Verstöße gegen Menschenrechte und steht im eklatanten Widerspruch zu verbrieften Menschenrechten wie dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, dem Grundgesetz, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Menschenrechtscharta. Nun sollen Schutzsuchende offiziell und “im Namen der EU” inhaftiert werden – allein deshalb, weil sie Schutz suchen. In rechtsstaatswidrigen Schnellverfahren soll über Leben und Tod entschieden werden, um dann in sogenannte “sichere Drittstaaten” oder “sichere Herkunftsländer” abzuschieben. Und zwar ungeachtet der möglichen Kettenabschiebungen von Personen aus Kriegsgebieten.
“Durch die neue Reform werden nicht nur zahlreiche Menschenrechte ignoriert oder gebrochen. Es wird auch ein klares Signal gesetzt, dass Deutschland nach 30 Jahren immer noch nicht gewillt ist, seiner humanitären Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden nachzukommen. Wer die Reform der GEAS unterstützt, nimmt Folter, grundlose Inhaftierung, Entwürdigung und Mord in Kauf, um Menschen fernzuhalten, die vor Krieg, Folter und Verfolgung fliehen”, so Sonnenholzner abschließend.
Die Arbeiterwohlfahrt gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege. Sie wird bundesweit von über 300.000 Mitgliedern, mehr als 72.000 ehrenamtlich engagierten Helfer*innen und rund 242.000 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen getragen.
Quelle: Arbeiterwohlfahrt (AWO)